Hintergrund: Ich war heute auf der Straße unterwegs, weil der Radweg daneben durch eine Baustellenampel blockiert war und es erst 50 m danach wieder eine Chance zum Wechsel darauf gab. In diesen 50 Metern hat es dann tatsächlich jemand geschafft mich mit deutlich zu geringem Abstand, hupend auf einer durchgestrichenen Tramspur zu überholen.
Ich bin dadurch so wütend geworden, dass ich letztendlich den Sprint zur übernächsten Ampel (in 500 m Entfernung – nehmt das, Autos im Stadtverkehr!) auf mich nahm, um mich vor das an der Ampel wartende Fahrzeug zu stellen und dem Fahrer wütend klarzumachen, dass er nicht verstanden hat was Sicherheitsabstand bedeutet. Letztendlich gab es ein hitziges Wortgemenge zwischen ihm (“fahr doch auf dem Radweg!”) und mir (“da gab es keinen Radweg!”). Er hat mich dann nochmal sehr beim Losfahren an den Fahrbahnrand gedrängt und mir sogar Gewalt angedroht (“soll ich dir eine klatschen, du Affe”). Ich habe ihm dann nur noch die nächstbeste Beleidigung mitgegeben und wir sind beide davongefahren. Er auf der Straße, ich auf dem Radweg.
Hier meine nüchterne Analyse:
- Ich bin froh, meinen Unmut kundgetan zu haben.
- Ich bin froh, nicht verletzt worden zu sein.
- Ich habe mich, den Fahrer und andere Menschen in Gefahr gebracht, als ich mich an der Ampel vor ihn gestellt war. Seine Reaktion war, mich erneut auf der Tramspur zu überholen. Das hätte zu einer Kollision mit einer Tram führen können.
- Ich hätte versuchen sollen, sachlich zu bleiben und ihm die Situation in so gut es geht neutralem Ton zu übermitteln. Vielleicht wäre meine Botschaft dann sogar angekommen.
Sorry falls das zu viel Text war. Wie geht ihr mit solchen Situationen um?
Ich versuche nicht allzusehr zu reagieren. Allerdings habe ich auch gelernt präventiv solche Situationen unwahrscheinlicher zu machen. Da gab es mal einen super Talk vom CCC zum Thema “StVO hacken: Verkehrswende selber machen” Der wichtigste Punkt: Nimm dir den Platz dem du brauchst. Wenn es nicht genug Platz zum ordentlichen überholen gibt: Fahr in der Mitte der Spur. Das entspannt echt die Situation weil die Autofahrer einsehen dass es eh nichts wird.
Ist ein (konsequentes) Fahren auf der Spurmitte als Fahrradfahrer nicht auch wieder ein Verstoß gegen die StVO?
@Zacryon kommt natürlich drauf an, aber in den meisten Straßen nicht. Der Abstand vom rechten Rand muss so gewählt werden, dass Eigengefährdung ausgeschlossen ist, mindestens wird 80cm empfohlen. Bei parkenden Autos ist das eine Türbreite, also bis 1,50m, gerechnet ab Lenkerende. Ein Lenker ist ca 70-80cm breit. Also ist die Fahrradmitte bei ca 1,5m - 2m legitim. Das ist auch bei einer breiten Fahrbahn (4m) ziemlich genau mittig.
100% Zustimmung, genau darum geht’s mir. Macht euch bewusst dass es vollkommen rechtens ist. In der StVO steht zwar, dass ich so fahren muss dass man den Verkehr möglichst wenig behindere, aber wenn nicht genug Platz ist können die Autos eh nicht legal überholen. Und es gilt in Deutschland immer: Wenn du in einer Situation bist in der du dich entschieden musst eines von zwei Rechtsgütern zu schützen/wahren gewinnt das höherwertige. In dem Fall: Mein Recht auf körperliche Unversehrtheit/ Abwesenheit von Gefährdung gewinnt gegen meine Pflicht den anderen Verkehr nicht zu behindern.
Früher habe ich mich auch aufgeregt und die Leute zur Rede gestellt. Aber zur Rede stellen bringt nie was, auch als Autofahrer nicht. Man bringt die Leute nicht zur Einsicht, und umgekehrt bringt man sich nur in Gefahr (jähzornige Spinner machen gefährliche Dinge). Das ist meine Erfahrung aus 35 Jahren Strassenverkehr.
Ruhig bleiben, ignorieren, weiterfahren ist m.E.n. die einzige sinnvolle Art damit umzugehen.
Hab ich mit Anfang 20 auch so gehandelt. Jetzt würde ich mich maximal noch an der Ampel wieder vor ihm einordnen, aber ohne ihn zu bepöbeln.
Meistens lach ich aber nur noch und freu mich, dass mein Leben nicht so scheiße ist wie seins.
du hast alles richtig gemacht.
anzeige ist immer möglich, auch wenn du keinen kamera-beweis hast. Im schlimmsten fall, wird die untersuchung dem Dude sehr gegen den strich gehen, allein weil sein anwalt ihm erklären muss, dass er sich falsch verhalten hat. Im besten fall wird er alles gestehen, weil er glaubt im recht zu sein.
Waren beide Fahrer alleine im Auto, steht Aussage gegen Aussage. Kein Täter wird auf Nachfrage zugeben, dass die Anzeige berechtigt ist. Ohne Zeuge zu sein, bedeutet aber keinesfalls, dass man auf die Anzeige verzichten kann.
Die Rechtsprechung legt bei der Verfolgung einer Anzeige einen ganz einfachen Sachverhalt zugrunde:
Wer eine Anzeige aufgibt, sich die Mühe macht, die Polizei zu kontaktieren, Papierkram zu machen und am Ende noch als Zeuge in einem Verfahren aufzutreten, macht das nicht aus Langeweile. Dazu kommt, dass es keinerlei finanzielle Motivation gibt, eine Anzeige zu erstatten. Im Fall der Nötigung ohne Körperverletzung oder Sachschaden hat der Erstatter der Anzeige keinerlei finanziellen Anspruch. Bußgelder kommen ausschließlich der Staatskasse zugute.
https://www.verivox.de/kfz-versicherung/themen/noetigung-im-strassenverkehr/
semi-related: Der ADAC hat auch was dazu geschrieben, aber schlägt sich deutlich auf die Seite der Täter
https://www.adac.de/verkehr/recht/verkehrsvorschriften-deutschland/noetigung-im-strassenverkehr/
Sehr hilfreich sind Zeugen, die die Angaben bestätigen. Sonst steht Aussage gegen Aussage und ohne Beweise läuft das Strafverfahren oft ins Leere.
erstmal stimmt das nicht. Und ausserdem ist es auch kein weltuntergang, wenn es nicht zu einer verurteilung kommt
Wie sieht es mit Fotos und Videos zur Beweissicherung aus? Das ist nur in einem engen rechtlichen Rahmen erlaubt und kann unter Umständen zu einem Bußgeldverfahren wegen Verletzung von Datenschutzvorschriften führen, wenn diese Fotos und Videos an die Polizei weitergegeben werden
das ist reiner bullshit.
@bort aus eigener Erfahrung: Selbst wenn man von der Straße gedrängt und dabei touchiert wird stellt die Berliner StA das Verfahren ein, da es keinen Schaden oder Verletzung gab. Mit Video. Man verweist auf den Privatklageweg. Alles recht frustrierend.
ja.
aus erfahrungsberichten von freunden (bezüglicher anderer klagen, die auch “eher unwichtig” sind), scheinen die Polizisten und Staatsanwälte sich sehr stark zu unterscheiden was sowas angeht.
meine Empfehlung: einfach mal versuchen. Wenn man ein einen “guten” StA gerät, der die Anzeige annimmt, ist alles gut. Wenn man an einen Arsch gerät, dann hat man zumindest seine Bürgerpflicht getan und kann gut schlafen.
Im schlimmsten fall, wird die untersuchung dem Dude sehr gegen den strich gehen, allein weil sein anwalt ihm erklären muss, dass er sich falsch verhalten hat. Im besten fall wird er alles gestehen, weil er glaubt im recht zu sein.
Um Regelfall wird es ohne Kamerabeweis oder Zeugen eingestellt, weil der Autofahrer einfach behauptet, dass das nicht stimmt, und dann steht deine Aussage gegen seine Aussage, und der Staatsanwalt stellt das Verfahren ein, da die Sachlage nicht ermittelbar ist.